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SCHWARZ – ein Streiflicht

Ausstellungskatalog Staatsgalerie Stuttgart AD Reinhardt, 1985 mit einem Siebdruck von Frank Kicherer.

„Black was a sacred colour for the Abstract Expressionists, it was their lapislazuli; they made a mystique of it, partly perhaps because of its austerity, partly perhaps because there was something splendidly macho in being able to produce a good strong black.“

David Sylvester

Ad Reinhardt war nicht der einzige der ausschließlich schwarz malte: Schwarz in allen Schattierungen, denn schwarz ist nicht schwarz. Schwarz ist rotschwarz, blauschwarz, grünschwarz.  

Ad Reinhardt was not the only one who painted exclusively black: Black in all shades, because black is not black. Black is red-black, blue-black, green-black.

SCHWARZ – Streiflicht über eine Farbe

BLACK - Sidelight over a color


Vorne weg:

FRONT AWAY:

Nach oben gesehen, trennt uns nur eine hauchdünne Schicht - die Atmosphäre - vor dem unendlichen schwarz des Weltalls mit seiner unvorstellbaren Kälte und die ist blau.

Looking up, only a very thin layer - the atmosphere - separates us from the infinite black of space with its unimaginable cold, and it is blue.


Nach unten, trennt uns nur die hauchdünne Schicht, der oft rötlich gefärbten Erdkruste von den Erdkernen. Und da unten wird es sehr heiß und schwarz.

Downwards, only the very thin layer of the often reddish colored earth's crust separates us from the earth's cores. And down there it gets very hot and black.


Himmel und Hölle, innen und außen. Die Symbole sind vielfältig. Kulturen und Haltungen auch.

Heaven and hell, inside and outside. The symbols are diverse. Cultures and attitudes too.


schwarz - Versuch einer positiven Sicht.

"Black makes a slim foot"
Said my colleague and gifted copywriter, Gregor, back then at Serviceplan. Smart and petite and always correct and always dressed in black, like the designers - but why do designers wear black?

Schwarz ist neutral

Designer haben oft eine sehr farbige Umgebung, sie müssen permanent mit Farben umgehen, spielen, sich auseinandersetzen. Für sich selbst wählt man da gerne die Neutralität. Und Schwarz ist neutral. Außerdem: man muss zumindest was die Farbe angeht nicht mehr wählen. Die Entscheidung ist getroffen. So argumentiert auch einer meiner Kunden.

Schwarz ist nicht neutral.

Es ist die Farbe der Macht - schaut in aktuelle Krimis – die Gangster fahren in schwarzen Limousinen und die CEOs ebenso - nicht nur in Krimis - Wer Macht hat, fährt in schwarzen Autos. Diktatoren, gewählte Präsidenten, Despoten. Bodyguards sind schwarz gekleidet und Polizisten teilweise ebenso.

Von den Abgründen

Schwarz ist also eine Farbe, die Angst einflößt - schon immer und immer noch.
Die Hölle ist schwarz weil gänzlich ohne Licht. Die Finsternis. Schwarze Löcher, Kosmos ohne Licht. So gesehen das ganz oben und das ganz unten - unendlich weit weg und ganz nah - in uns selbst.

Echtes Schwarz erleben wir heute eigentlich nur, wenn wir bei Nacht die Augen schließen. So kann es auch die Farbe der tiefsten Geborgenheit sein. Keine Eindrücke mehr, keine Ablenkung mehr, wir sind vielleicht im Bett, haben die Augen geschlossen und es ist Nacht, es ist schwarz und hüllt uns ein. Es ist grenzenlos, aber in dieser Grenzenlosigkeit vermittelt es, dass wir bei uns sind. Also wieder der Widerspruch: dieses subjektiv Objektive, dieses objektiv Subjektive. Das ist Schwarz 

The pupil, without it we could not see this color wonder world at all, is jet black and it is mirroring a direct way into our innermost...

Zur Oberfläche

Unser Innerstes öffnet sich nach außen zur Wahrnehmung der Welt durch ein kleines schwarzes Loch – die Pupille.
In der griechischen Antike wurde angenommen, dass aktiv ausstrahlende Energien durch die Pupille in beide Richtungen gehen können. Was es mit dem „guten Blick“ auf sich hatte, wissen wir leider nicht mehr – den „bösen Blick“, der verfluchen, Krankheit auslösen oder sogar töten kann, haben wir als Aberglaube noch im Gedächtnis.

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Siegeszug einer Farbe


Vom Mittelalter

Im Mittelalter waren kräftige, reine Farben, wie rot und blau nur dem Adel erlaubt. Vor allem Farben, die in ihrer Herstellung unsagbar teuer waren, wurden benutzt um weltliche oder himmlische Macht und Reichtum zu demonstrieren und zu symbolisieren: Kermes oder Purpur(siehe Kardinalsrot), Indigo oder Waid (blau) und als Pigmente Ultramarin / Lapislazuli und Zinnoberrot – wie z.B. Umhang und Kleid der sixtinischen Madonna von Raphael -

Gerade durch diese Tabuisierung von Farben und durch Kleiderverordnungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie Geistliche, Gelehrte, Kaufleute, Beamte – sie alle mussten schwarz tragen – wurde im 15. Jahrhundert, als es endlich gelang teure Stoffe tief schwarz zu färben, der Status von Schwarz in vielen Teilen Europas ein völlig anderer.

Schwarz wird die Kleiderfarbe, und somit zum Symbol der Oberschicht:

Schwarz war jetzt nicht mehr aufzuhalten. Der Siegeszug der Farbe – auch in Herrschaftshäusern – begann in Norditalien und ging anschließend bis England und Spanien.

Und die Maler malten es in unzähligen Abstufungen. Lernten, dass Schwarz farbig sein muss und nicht einfach nur mehr schwarz oder weniger, sondern die „Verdichtung“ von Farbe ist.

Schwarze Kleidung passt jetzt zur geistigen Haltung der Zeit. Alle, die es sich leisten können, tragen Schwarz. Es ist die Farbe einer der grausamsten Epochen Europas, mit Hexenverbrennungen quer über den Kontinent, aber auch der Reformation und der Erfindung des Buchdrucks - der Schwarzen Kunst.

Über die Renaissance
und Reformation

Jetzt ist Schwarz in Europa die höfische Farbe, und bis heute die Kleiderfarbe der Eleganz –

Now black is the courtly color in Europe, and to this day the dress color of elegance -.

In die Neuzeit

Ja, und dann ist da noch der schwarze Anzug und das „Kleine Schwarze“*. Beides hat wohl damit zu tun, dass Schwarz jeden Körper schlanker erscheinen lässt, Silhouetten stärker definiert, die Form strenger wirken lässt, da es das Licht absorbiert.  

Also schwarz macht nicht nur einen schlanken Fuß, sondern ein Stück-weit auch den Rest…mit einer langen Tradition:

*Das kleine Schwarze wurde von Coco Chanel 1926 entworfen. Die amerikanische Vogue veröffentlichte den Entwurf mit dem Satz: „Dieses schlichte Kleid wird eine Art von Uniform für alle Frauen mit Geschmack werden“ und behielt recht. Das schnörkellose Etuikleid ist seitdem aus den Kleiderschränken nicht mehr wegzudenken. Genauso wie der Smoking, der Frack oder schlicht und einfach der Schwarze Anzug.

Relikte von Damals

Die Richter und Anwaltsroben sind schwarz. Das Priestergewand, die Sutane, die Zimmermannstracht und… Designer tragen Schwarz. Das Orchester trägt Schwarz, Kellner und Butler…und natürlich der Schornsteinfeger.

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blau + rot + gelb = schwarz?

BLUE + RED + YELLOW = BLACK?

Koptisches und flämisches Schwarz:

Eine der ältesten Methoden der Schwarzfärbung: Wolle von dunklen Schafen, wird so lange mit Indigo oder Waid (blau) überfärbt, bis eine tiefschwarze Farbe entsteht.
Die erste richtig tiefe Schwarzfärbung gelang mit dem Flämischen Schwarz, das eine Mischung der drei Grundfarben enthielt: gelb, blau und rot. Auch griff es nicht, wie die bis dahin übliche Beize aus Tannin (aus Galläpfeln) und Eisenvitriol, die Stoffe an. Trotzdem war eine Voraussetzung, dass der Stoff bereits eine dunkle Farbe hatte.

One of the oldest methods of black dyeing: wool from dark sheep is overdyed with indigo or woad (blue) until a deep black color is obtained.The first really deep black dyeing succeeded with Flemish black, which contained a mixture of the three primary colors: yellow, blue and red. It also did not attack the fabrics, as did the mordant made of tannin (from gall apples) and iron vitriol, which had been common until then. Nevertheless, a prerequisite was that the fabric already had a dark color.


Schwarz , schwärzer = schwarz

Ruß,
Elfenbeinschwarz, Beinschwarz

BLACK , MORE BLACK = BLACK

Ein seit Jahrtausenden bekannte Schwarzpigment ist Ruß. Darunter Elfenbeinschwarz, das aus der Verrußung von Elfenbein gewonnen wurde. Beinschwarz: wird auch heute noch – wie Elfenbeinschwarz aus Tierknochen gewonnen

Eisenoxidschwarz:

In den Höhlenmalereien wurden schon vor über 35000 Jahren Pigmente aus Eisenoxid verwendet.
Als schwarzes Pigment ist das synthetische Eisenoxid schwarz heute geschätzt.

Spinellschwarz:

das schwärzeste schwarz - ebenfalls ein Oxidpigment aus Kupfer-Mangan-Eisen.

absolute black
Vantablack:

Der britischen Firma  Surrey NanoSystems, ist es gelungen, ein Material zu entwickeln, das fast kein Licht reflektiert: Es heißt, dass nur 0,035 Prozent des einfallenden Lichts zurückgestrahlt werden. Ermöglicht wird dies durch eine Anordnung von winzigen Kohlenstoffnanoröhren, die das Licht einfangen und nahezu komplett absorbieren.

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Druckerschwärze

Schwarz auf Weiß:

PRINTING INKPRINTING INK

Das Synonym für Glaubwürdigkeit wurde durch Goethe erst richtig publik (Faust / 1. Teil),
ist aber ohne die „Schwarze Kunst“ des Druckens nicht denkbar.

Das Pigment besteht auch heute noch aus Ruß.

Black on white:The synonym for credibility was only really made public by Goethe (Faust / Part 1), but is inconceivable without the "black art" of printing. The pigment still consists of carbon black today.

Printing ink was relatively thin-bodied because it had to be suitable for wooden boards. For printing with lead type on paper, a much more viscous printing ink was needed that dried correspondingly quickly so that the reverse side of the sheet could also be printed. Gutenberg therefore developed a paste of linseed oil varnish and carbon black especially for letterpress printing.

Und immer noch ist schwarz nicht gleich schwarz.

And still black is not equal to black.

100% K

Schwarz ist mal gräulich - entsprechend 100 % K / Key-Plate, 0 % C / Cyan, 0 % M / Magenta, 0 % Y / Yellow.
Oder es hat einen anderen Farbstich je nach der Intension des Gestalters. Man spricht hier von Buntschwarz.

Printing ink was relatively thin-bodied because it had to be suitable for wooden boards. For printing with lead type on paper, a much more viscous printing ink was needed that dried correspondingly quickly so that the reverse side of the sheet could also be printed. Gutenberg therefore developed a paste of linseed oil varnish and carbon black especially for letterpress printing.

Sattschwarz oder Tiefschwarz: Aber wenn man so ein richtig tiefes Schwarz will? Man findet die unterschiedlichsten Empfehlungen und man sollte in jedem Fall aufpassen, das man nicht über maximal 300 % Farbsättigung, das heißt bei 100 % K, die man immer haben sollte, könnte man jetzt beispielsweise noch 100 % blau und 100 % rot dazu packen.

Saturated black or deep black: But if you want a really deep black? You can find a wide variety of recommendations, and you should always be careful not to exceed a maximum of 300% color saturation, which means that with 100% K, which you should always have, you could now add 100% blue and 100% red, for example.

Für mich hat sich folgende Mischung bewährt:
100 % K, 60 % C/blau, 40 % M/rot und 20 % Y/gelb.


Nein, Schwarz ist für mich nicht negativ!

No, black is not negative for me!



Zum Schluss nochmals Kunst:
Pierre Soulage hat das Wort



„[...]nein. Schwarz hat für mich nichts Negatives – im Gegenteil.
Für mich ist Schwarz ein Fest.
Weiß hingegen ist für einen sehr großen Teil der Menschheit eine Farbe der Trauer.
Ich habe einmal eine Abendrobe von Kaiserin Sissy gesehen, in Wien,
sie war ganz in schwarz gehalten.
Der Smoking – ebenfalls ein festliches Kleidungsstück – ist auch schwarz.
Schwarz ist aber auch die Farbe der Offiziellen.
Und wenn eine Muslima Trauer trägt, dann trägt sie weiß[...]

"[...]no. Black has nothing negative for me - on the contrary.
For me, black is a celebration.
White, on the other hand, is a color of mourning for a very large part of humanity.
I once saw an evening gown worn by Empress Sissy, in Vienna,
it was all in black. The tuxedo - also a festive garment - is also black.
But black is also the color of the officials.
And when a Muslim woman wears mourning, she wears white[...]“.

Pierre Soulages, 2008 in einem Interview mit Cicero

 

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